Wenn es fließt: Schreibflow
Neulich hatte ich eine Autorin als Kundin, super kompetent, verlässlich, sehr nett. Wir konnten einen klasse Verlag für ihr Buchprojekt finden, alles war fein. Ich schrieb ihr abschließend eine nette Mail, wünschte ihr viel Erfolg beim Schreiben und bot meine Hilfe für den weiteren Prozess an. Jedoch: keine Resonanz. Ich wunderte mich ein wenig, weil ihre Antwortmails üblicherweise immer postwendend kamen. Aber diesmal kam neun Tage nichts. Erst am zehnten Tag kam eine Mail von ihr. Sie habe sich nicht gemeldet, weil sie so im Schreibflow gewesen sei, dass sie alles andere um sich herum vergessen habe. „Aber ich schätze, das ist ein gutes Zeichen“, fügte sie hinzu.
In der Tat ist das ein gutes Zeichen! Schreibflow ist das, was uns beim Schreiben glücklich macht und uns alles andere vergessen oder unwichtig erscheinen lässt. Wir sind ganz auf unseren Text konzentriert, unser Hirn arbeitet auf vollen Touren und die Wörter fließen so schnell auf Papier, dass wir mit dem Tippen kaum hinterher kommen. Wir erleben das Fabrizieren von Text wie einen Rausch, wie ein Kind, das selbstvergessen spielt und dabei die Zeit vergisst.
Schreibflow ist etwas Wunderbares und wenn uns diese Muse küsst, sollten wir unbedingt zurückküssen und die Gunst der Stunde für unser Schreibprojekt nutzen. Doch was tun wir, wenn sich kein Flow bei uns einstellen will? Wenn wir vor dem leeren Blatt sitzen und uns nur dieses furchtbare Papierweiß anstrahlt?
Ich habe meine Flow erfahrene Autorin gefragt, was ihrer Meinung nach ihren persönlichen Schreibflow begünstigt. Sie hat ihr Flow-Erlebnis so großartig auf den Punkt gebracht, dass ich euch das nicht vorenthalten darf:
„Generell entsteht ein Flow-Erlebnis bei mir immer dann, wenn ich etwas gut kann und es gleichzeitig auch gerne mache. Also, wenn ich meine Stärken mit meinen Interessen zusammenbringe. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke wird mir klar, dass für mich persönlich aber auch die Umgebung eine große Rolle spielt. Beim Schreiben mache ich es mir immer schön – ich koche mir einen Tee, mache Kerzen an, manchmal leise Hintergrundmusik. Also so, dass ich es gemütlich habe und mich gerne in dem Raum aufhalte. Ich kann auch gut von einem schnuckeligen Café aus arbeiten. Einmal saß ich hier in xx in der Unibib und es war einfach nur kalt und der Raum in dem ich war, war wenig inspirierend. Das hat für mich gar nicht funktioniert, da ich immer dachte ‚Mir ist kalt, ich will nach Hause ins Warme’ J. Das war mir aber auch schon wichtig, als ich noch angestellt war. Es war ein riesiger Unterschied, ob ich in Berlin in einem hellen, modernen Büro mit Blick über die Stadt sitze oder (wie zuletzt) in xx in einem Büro mit einer Einrichtung aus den 80ern.
Ich gerate auch insbesondere dann in einen Schreibflow, wenn ich keinen Zeitdruck habe. Dann lese ich immer mal wieder eine Passage in einem Buch, recherchiere im Internet usw. um dann wieder ein paar Zeilen zu schreiben. Dieses nicht gehetzt sein und den eigenen Gedanken auch mal nachhängen zu können ist definitiv förderlich, deshalb schreibe ich auch selten zwischen zwei Terminen.“ (Juliane Rosier)
Wir können unseren Schreibflow also befördern und begünstigen, und zwar durch drei Dinge:
1. Indem wir über Themen schreiben, die uns wirklich interessieren und die wir gleichzeitig beherrschen. Wo wir etwas zu sagen haben. Themen, die wir der Welt mitteilen wollen oder gar müssen, weil wir damit einen relevanten Beitrag leisten und anderen helfen oder sie inspirieren können.
2. Um Flow zu evozieren, müssen wir uns auch physisch wohlfühlen. Die Umgebung, der Raum, in dem wir sitzen, muss sich gut anfühlen. Das kann das eigene Büro sein, das kann auch ein Café in einer trubeligen Großstadt sein. Jeder Jeck ist anders. Meine schönste Schreiberfahrung hatte ich zum Beispiel auf der Nordseeinsel Juist während einer Schreibauszeit, wo ich viele Texte während langer Strandspaziergänge im Kopf vorformuliert habe.
3. Der Faktor Zeit wird beim Schreiben nicht selten unterschätzt. Schreiben ist zeitintensiv und aller Erfahrung nach brauchen wir unterm Strich mehr Zeit für unser Schreibprojekt als ursprünglich gedacht. Da Flow und Zeitdruck sich nicht vertragen, sollten wir stets genügend Zeitpuffer einbauen. Zeit zu haben ist auch deswegen schön, weil es bedeutet, Zeit zum Gegenlesen und zum Überarbeiten zu haben – und das tut einem Manuskript eigentlich immer gut.
Wenn uns dann noch ein wirklich gutes Konzept und ein guter roter Faden vorliegen, sollte dem einen oder anderen Schreibflowerlebnis eigentlich nichts im Wege stehen. Wobei gilt: Wir können Flow zwar durch bestimmte Rahmenbedingungen begünstigen, aber wir können uns Flow nicht „backen“. Es gibt kein Rezept, keine Checkliste, denn Flow ist ein subjektives Empfinden, individuell unterschiedlich und kein On-off-Mechanismus.
Viel Spaß und gutes Gelingen beim Schreiben!
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